Hyper Smash Kommunikation 21: November 2014

Sonntag, 9. November 2014

Sticky Fingers 9. November 1989

Vor 25 Jahren beim Mauerfall begann auch schleichend die Digitale Revolution. Ich hatte 
am 9. November einen der coolsten Jobs in der damals ehemaligen Hauptstadt und war Filialleiter vom größten Plattengeschäft Berlins - WOM World of Music in der Augsburger Straße. Der Vordereingang ging durch Wertheim am Kudamm. Am nächsten Morgen war ich sehr früh in der Stadt, nur wenige Anzeichen deuteten auf Veränderungen, aber ich wusste, das würde sich im Laufe des Tages ändern. Hier und da parkte ein Trabi mit Ostberliner Kennzeichen am Kudamm und ich sah Leute mit BVB-Uniform. Im Laufe des Tages wurde es dann voll, sehr sehr voll. Alle bewegten sich sehr langsam, wie in Zeitlupe, wie um "den Westen" ganz langsam zu erkunden und zu begreifen. Platten wurden gekauft, keine CDs. Wir entschieden uns, Ost-Mark anzunehmen, 1:10 stand der Kurs auf dem Schwarzmarkt vor dem Bahnhof Zoo und wir stellten eine eigene Kasse auf einen Tresen. Die meistverkaufte Platte war Sticky Fingers von den Stones.Viele zahlten mit Tränen in den Augen 100 Ostmark (umgerechnet DM 10 oder ein Zehntel eines normalen Monatslohns) für die Scheibe. Die CBS hatte das Teil auf Nice Price und der echte Reißverschluss im Pappcover machte was her. Kreditkarten nahmen wir alle, manuell und mit dem Ratscher. Aus dem Osten gab es natürlich keine. Immerhin hatten wir schon zwei Computer, ich hatte einen mit DOS 3.0 oder 4.0 (das weiß ich nicht mehr so genau) und so schönen schwarz-weiß-Programme wie Visio für die Tabellenkalkulation und einen Word-Editor (Name vergessen). In der Warenannahme hatten wir eine PC, um die Bestände und die Bestandsmargen zu erfassen. Zur - heute würde man sagen - Vernetzung hatte ich den damaligen Chefs in München ein Fax aus dem Kreuz geleiert (wozu brauchst Du das denn? Das kostet DM 2.500 - kommt nicht in Frage), aber damit konnte ich schon einiges in der Supply Chain beschleunigen. Bestellt wurde telefonisch oder beim Vertreter, die großen Plattenfirmen hatten alle kleine Auslieferungslager in Westberlin. Der Rest des Jahres 1989 war ein einziges großes Abenteuer - wie lange und wann würden wir heute öffnen, welche Währung zu welchen Kurs annehmen, welche Ware beschaffen um welche zu verkaufen (verschenken von echten Remittenden hatte auch Hochkonjunktur)? Ja, das war Change! Der Mantel der Geschichte wehte durch die Straßen von Ostberlin und Westberlin und es war ganz bestimmt eine mächtig geile Zeit.