Hyper Smash Kommunikation 21: Mai 2019

Montag, 27. Mai 2019

Nur APIs ermöglichen flexible digitale Ökosysteme

Ohne drei Gegenstände verlässt fast keiner morgens sein zuhause: das Smartphone, Schlüssel und Geld in irgendeiner Form. Nun kann ich das Geld weglassen und per Smartphone bezahlen. Aldi, Lidl und Co haben die Zahlung mit Google oder Apple Pay sauber integriert. Ihre Kartenterminals kontakten den NFC-Chip und bei mir habe ich G-Pay mit Paypal integriert. OneTouch und gesichert mit dem Fingerprint-Sensor auf meinem Pixel. Habt ihr mitgezählt? Das waren jetzt 5 saubere Integrationen von digitalen Geschäftsprozessen, die diese Bequemlichkeit ermöglichen. Mit Paypal habe ich übrigens meinen Payment-Account verbunden, weil die Kreditkarte meiner Bank die Integration nicht unterstützt. Damit ist meine Bank raus aus dem aktiven Geldverkehr und nur noch dafür da, die Umsatzanfrage von PayPal zu bestätigen.



Relative einfache Integrationsprogramme wie IFTTT oder Zapier ermöglichen teils nützliche, teils kuriose Integrationen. Warum sollte man nicht den U-Bahnfahrplan von New York als Push-Nachricht bekommen, wenn sich mein Smartphone auf einmal dort befindet? Das ist nützlich. Man könnte aber auch seine Hue-Lampe im Wohnzimmer rot aufleuchten lassen, wenn die ISS in 400km Höhe über mir vorbeifliegt. Auch ein digitales Rezept, aber sicher sehr speziell.

APIs sind der digitale Schlüssel zu all diesen Möglichkeiten. APIs sind gesicherte und dokumentierte Schnittstellen zu Zielsystemen, die über eine einfachen Call (GET) aufgerufen oder geschrieben (PUT) werden können. APIs sind der Klebstoff der hochintegrierten digitalen Prozesse, die mittlerweile wesentliche Teile der globalen Wirtschaftsleistung zusammenhalten und die Arbeitsteilung in der digitalen Ökonomie erst ermöglichen. Beispiel UBER: viele Nutzer sehen den Stadtplan als ein zentrales Element der App, dabei wird diese per API nur von einem externen Kartendienst bezogen. Die eigentliche Wertschöpfung von UBER ist das Auffinden und Integrieren von Fahrern, die bereit sind, Aufträge aus dem Nachfrage-Pool anzunehmen. Auch die vielfältigen Payment-Funktionen werden von anderen Anbietern über APIs bezogen.

Die zunehmende Fiskalisierung in Europa stellt für viele global agierende Unternehmen eine echte Herausforderung dar. Unter der Implementierung von Fiskalspeichern versteht man die manipulationssichere, elektronische Aufzeichnung von geschäftlichen Transaktionen aller Art, insbesondere an Kassen im Einzelhandel. Eine echte Challenge ist der fehlende europäische Standard, was dazu führt, dass jedes Land seinen eigenen Weg geht und diesen zudem permanent auch kurzfristig verändert. Was tun? Handelsunternehmen könnten nun entweder jeweils eine ganze Menge von versierten Experten beschäftigen, die die Rechtslage permanent analysieren und neue Anforderungen per meist dringlichen Demand in die ohnehin stets überfüllte IT-Delivery-Pipeline einkippen. Als bessere Alternative entwickeln weitsichtigere Unternehmen Kassenlösungen, die sich per eigener Schnittstelle in eine leistungsfähige Schnittstelle eines spezialisierten Anbieters einklinken, der für die Einhaltung der nationalen Vorschriften (Compliance) einsteht. Solche Anbieter sind entweder spezialisierte Cloud-Anbieter oder Anbieter herkömmlicher Integrationslösungen, die zusätzliche solche Erweiterungsmodule anbieten.

Der Großvater von all diesen Möglichkeiten ist EDIFACT und ist in den meisten Unternehmen sehr aktiv. Mit EDIFACT begannen wir vor 25 Jahren, den standardisierten Datenaustausch zwischen Unternehmen zu ermöglichen. Ich selbst saß damals bei Phononet in Hamburg im Gremium, um Stammdatensätze in der Entertainment-Branche zu normieren. Eine langweilige Arbeit, aber langfristig sehr effektiv. EDI in B2B sind immer noch die leistungsfähigen Nervenbahnen im Rückenmark der Weltwirtschaft. Ohne EDI keine moderne Supply Chain – so einfach ist das.

Moderne Massenintegrationen ermöglichen aber auch Szenarien mit unerwarteten Ausgängen. Wer erkennt schon, hinter wie vielen ebay-Shops tatsächlich die Lieferleistung von Alibaba steckt – ermöglicht durch die tiefe digitale Integration von Geschäftsprozessen? Kombiniert mit den äußert niedrigen Portokosten ex China, derzeit 0,45 Eurocent für einen 20 Gramm Umschlag aus Schanghai nach München und der geübten Praxis chinesischer Anbieter, die Einfuhrumsatzsteuer durch zu niedrige Angaben auf dem Versandetiketten zu vermeiden, wird nicht nur der österreichische Binnenhandel durch China-Importe im Briefumschlag statt im Seecontainer förmlich überschwemmt. Marktanteile werden zu Lasten des heimischen Handels quasi unsichtbar umverteilt, wobei der Verbraucher von mehrwertsteuerfreien Lieferungen profitiert, die Zeche aber indirekt zu zahlen hat.

Auch der Bankensektor steckt im Umbruch. Mit PSD2 (Payment Service Directive 2) hat die EU eine einheitliche Schnittstelle für ganz Europa standardisiert und deren Implementierung für alle Banken verpflichtend gemacht. So können auf einmal FinTechs und TechFins ihre innovativen Produkte und Services voll integriert vermarkten. Technisch gesehen ist PSD2 eine API und damit eine Schnittstelle, die nach vorheriger Registrierung von außen aufgerufen werden kann und damit ein völlig neues Level von Transparenz und Visibilität ermöglicht. Die verpflichtende Standardisierung durch die EU ist der Erfolgsfaktor und von der Grundsätzlichkeit her eine Ausnahmeerscheinung. Ein kleines Rechenbeispiel: wollten sich 1.000 FinTechs mit 1.000 Banken verbinden, so müssten nach Metcalfe’s Gesetz der Netzwerkkomplexität (n/2)² theoretisch maximal = 2.000/2 = 1.000² = 1 Million Schnittstellen programmiert werden. Dank PSD2 nur je eine auf jeder Seite, also 2.000. In diesem Rechenbeispiel liegt der theoretische Effizienzgewinn durch Standardisierung bei 1:500. Ein enormer wirtschaftlicher Hebel.

APIs und Schnittstellen sind die Verbindungslinien in der digitalen Ökonomie und gleichzeitig der Klebstoff, der das flexible Gebilde ermöglicht. Eine klar definierte Integrationsstrategie ist daher die Pflichtaufgabe für jeden CIO. Gerade in klassischen Unternehmen, die darauf ausgelegt sind, ihre Ressourcen möglichst vollständig unter Kontrolle zu halten, muss jedoch parallel auch im Business die Erkenntnis reifen, dass die Öffnung der eigenen Systeme und Datenbestände und damit verbunden die Zugriffsmöglichkeit von außen einen Wert darstellt, der von Kunden honoriert wird und der neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Im Gegenzug muss auch verstanden werden, dass sich ein Unternehmen schneller entwickeln kann, wenn auch zunehmend Kernfunktionen nicht mehr selbst entwickelt werden, sondern von anderen cloud-basierten Lösungsanbietern bezogen werden, die über APIs in das eigene Geschäftsmodell integriert werden.

Ein gemeinsames Partnermanagement und eine gemeinsame digitale Architektur von Business und IT sind dafür die Voraussetzung.

#besserhandelndigital

Sonntag, 5. Mai 2019

Instant Gratification mit Instagram


Quengelzonen vor Kasse und Impulskauf waren klassisch die Margenbringer im Handel. Ob Süsswaren von Premiumherstellern in Griff- und Augenhöhe oder Aktionsprodukte, die auf Paletten an Gondelköpfen platziert werden – so wird gerne der Absatz und vor allem die Margenverbesserung im Handel gesteuert. „Instant Gratification“ kann aber auch erfolgreich in sozialen Medien implementiert werden. Die Älteren nörgeln gerne, dass die heutigen ScreenAger der Gen Y und Gen Z nicht mehr kommunizieren, dabei kommunizieren sie mehr denn je, nur digital und immerzu. 


Instagram, gerne missverstanden als App der Eitelkeit, erfüllt diesen Bedarf. Hier baut sich der Feed organisch am Verhalten des Benutzers auf. Logisch, dass man dann auch auf den personalisierten Bedarf passende Produkte dynamisch im Feed platzieren kann. Bei einem Match wird dann spontan auf „Kauf“ geklickt, so wie man das früher in einem Laden gemacht hat. „Das wollte ich eben haben/mir gönnen/probieren“. Spontan-Shoppen ist eines der wenigen Schlüsselprozesse in der Customer-Journey, den die Online-Giganten, darunter Amazon, bislang nicht erfolgreich digital nachbilden konnten. Zunächst gibt es die neue Funktion nur für Amerikaner. Zum Start integrieren das gleich 23 Marken in Ihre Geschäftsprozesse, darunter auch umtriebige Europäer wie Adidas, Zara oder Burberry. Für Instagram-Verspotter: Instagram hat mehr als 1 Milliarde Nutzer weltweit.