Wikipedia ist mit seinen 11
Jahren schon ein alter Bekannter im Internet. Im deutschen Wiki sind bislang
1.200.000 Artikel von 6.700 Autoren veröffentlicht worden. Dabei ist die Menge
an dazukommenden Artikeln seit 10 Jahren linear ansteigend. Mit einiger
Wahrscheinlichkeit werden wir vor 2020 den Durchbruch durch die
2-Millionen-Marke erleben. Wikipedia spielt den Vorteil des unbegrenzten
digitalen Raums im Vergleich zu seinen nicht mehr vorhanden Papier-Konkurrenten
voll aus. In Alexas globaler Rangfolge des Traffics liegt Wikipedia auf Platz
6.
Wikipedia folgte in seiner
Grundstruktur immer den gedruckten Enzyklopädien als seinen analogen
Vorgängern. Die Information insgesamt ist stark textlastig im Fließtext, manchmal
ein Foto und der Autor wird nicht benannt und bleibt für die meisten Nutzer
anonym. Das liegt vielleicht auch daran, dass Wikipedia ein paar Jahre älter
ist als die sozialen Medien und man den Trend, dass man Expertise auch um
Personen herum anordnen kann, noch nicht erkannte. Im Prinzip kann Wikipedia „jeder“
irritieren, was seit jeher die akademische Welt mit ihren „Peer-to-Peer“-Überprüfungsprozessen
verschreckt. Dabei wird nicht zur Kenntnis genommen, dass es auch freiwillige
Spezialisten bei Wikipedia gibt, die Verunstaltungen von Artikeln binnen
Minuten erkennen und beseitigen. Manchmal allerdings bilden sich Fraktionen,
die neue Einträge gegenseitig überschreiben. Das ist dann ein Fall für die
Admins, die dafür wie die Streitschlichter auf Schulhöfen, Diskussionsforen
einberufen, in denen der Sachverhalt diskutiert werden. Mehr denn je können wir
alle heute aufgrund der Partizipationsmöglichkeiten zu Fakten sehr unterschiedliche
Meinungen entwickeln. Daran kann man erkennen, dass es sich bei Wikipedia um
eine regulierte Wissens-Plattform handelt, deren interne Regeln (neudeutsch
bzw. genauer schlechtdeutsch: Governance) von der Gemeinschaft der Autoren und
Admins entwickelt und umgesetzt wird. Weithin bekannt ist die Tatsache, dass
tausende von Menschen diesen Aufgaben freiwillig und ohne Bezahlung nachgehen,
weil sie im Gegenzug stolz darauf sind, an einer starken Gemeinschaft teilhaben
und beitragen können. Diese Menschen haben etwas geschaffen, an denen
finanzstarke Konzerne wie Microsoft kläglich gescheitert sind: die beste
Online-Enzyklopädie der Welt.
Jimmy Wales (Quelle: WikiCommons) |
Die Position von Jimmy Wales als Schöpfer und
Gründer von Wikipedia ist dabei die des aus dem Hintergrund Führenden. Er
äußert sich zu anspruchsvollen Diskussionen in Foren oder auf Kongressen und
seine Äußerungen führen dann zu Veränderungen der internen Regeln oder dass er
diese direkt anweist. Im Gegensatz zum hierarchischen DIKW-Konstrukt bestimmt
Führung durch Werte und gemeinsame Überzeugungen Konstrukte im Bereich der Collaboration-Plattformen.
Im Rückschluss gilt auch die Maxime, dass Collaboration ohne dezentrale Führung
nicht funktioniert. Tritt ein solcher Fall in großen Unternehmen auf, schießen
konkurrierende Wikis wie Pilze aus dem Boden, da hier der intrisische
Kontrollanspruch hierarchisch gelenkter Organisationen wie ein Automatismus
regiert. Das heute im Internet so beliebte „Teilen“-Symbol (share) taucht auf
Wikipedia gar nicht auf. Gleichwohl kann Wikipedia auch ohne dieses Symbol als
Urmutter des „Teilens“ im Internet bezeichnet werden. Wenn Menschen endlose
Webseiten mit Details aus dem Leben von Justin Bieber befüllen, dann tun sie
es, weil sie Spaß am mit-teilen haben. Wer sich dafür interessiert ist hier besser
bedient als mit jedem anderen Medium.
Collaboration (Quelle: Univ. of Nebraska, Lincoln) |
In Summe kann man formulieren,
dass Wikipedia als erfolgreichste Collaboration-Plattform der Welt funktioniert, weil
dahinter eine starke menschliche Gemeinschaft mit definierten Spielregeln steht,
die Spaß am „Need-to-Share“-Prinzip in Freiheit und Verantwortung hat.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen