Hyper Smash Kommunikation 21: Das ist alles Zuviel

Dienstag, 17. Juli 2012

Das ist alles Zuviel


David Weinberger, Quelle WikiCommons
Gottfried Leibniz aus Leipzig, deutscher Universalwissenschaftler aus dem 17. Jahrhundert sprach von einer schrecklichen Masse sich täglich auftürmender Bücher. Damit meinte er auch kulturelle Institutionen seiner Zeit, in denen Bücher manchmal mehr eine Alibifunktion einnahmen. Novalis prägte 1798 das Wort der „Bücherseuche“. Ursache waren die Druckerpressen und die zunehmende Verfügbarkeit von Papier. Entsprechend konnten mehr Inhalte denn je an mehr Lesende – oder zumindest Sammelnde – denn je verkauft werden. In der digitalen Welt 200 Jahre später mit Speicherplatz zum Nulltarif gibt es nun kein Halten mehr. Daten, Informationen und Wissen überfluten uns in beliebigen Mengen, die immer weiter ansteigen. Wir werden erst noch lernen müssen damit umzugehen was es bedeutet, dass nichts (!) nie (!) mehr verloren geht. Richard Wurman sprach von der Angst vor der Information (Information Anxiety) und stellte die Parabel auf, dass ein heutiger New Yorker mit einer Ausgabe der New York Times mehr Informationen verarbeiten muss (falls er alles liest) als ein Engländer im 17. Jahrhundert in seinem ganzen Leben. Und das war noch vor Facebook, wo personalisierte Ausschnitte der 1 Milliarde täglichen Posts wie ein Film mit vielen Einzelbildern pro Sekunde an uns vorbeiziehen, wenn wir scrollen. Aber – Rettung naht. Clay Shirky erkannte 2008, dass es keinen „Information Overload“ gäbe, sondern dass vielmehr „Filter Failure“ – ein Versagen der persönlichen Filter – vorliegt. Auf gut Deutsch, aber zu kurz gesprungen: vielen Menschen fehlt Medienkompetenz. Allerdings, so argumentiert David Weinberger in seinem Buch „Too Big To Know“, hat die intensive Nutzung des Informationsgeflimmers im Internet unsere Denkstruktur bereits verändert: das tiefe und intensive Durchdenken komplexer Fragestellungen ist auf dem Rückzug. Eine Verflachung der politischen Debatte, in der in kurzen Abständen möglichst einfache Antworten für hochkomplexe Sachverhalte verlangt werden, ist in der andauernden Euro-Krise bestens zu beobachten. Sein Fazit: das Wissen der Welt – das Wissen von Großunternehmen - ist schon lange bei weitem viel zu groß, als das es von Einzelnen durchdrungen werden kann. Insofern ist Geschichte immer die Abfolge von unbeabsichtigten Konsequenzen. Einige weitere Einsichten:
  • ·         Alles Wissen ist sozial!
  • ·         Ein Fakt zu lernen kann das gleiche sein wie einen Fakt zu veröffentlichen (Beispiel dieses Blog)
  • ·         Das Wissen wird durch das verwendete Medium transformiert
  • ·         Information zu Daten verhält sich wie Wein zu Weinberg
  • ·         Wissen braucht Gemeinschaft. Geschlossene Gemeinschaften bergen aber das Risiko als Echokammern zu wirken
  • ·         Wissen ist Interpretation. Interpretation gedeiht im Diskurs
  • ·         Wissen ist ein Werkzeug, dass uns hilft ein Ziel zu erreichen
David Weinbergers Buch trägt den poetischen Titel „Too Big To Know! Now That the Facts Aren't the Facts, Experts Are Everywhere, and the Smartest Person in the Room Is the Room” und gibt es nicht auf Deutsch.


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