Hyper Smash Kommunikation 21: Jimmy Wales und „Need to Share“

Samstag, 7. Juli 2012

Jimmy Wales und „Need to Share“


Wikipedia ist mit seinen 11 Jahren schon ein alter Bekannter im Internet. Im deutschen Wiki sind bislang 1.200.000 Artikel von 6.700 Autoren veröffentlicht worden. Dabei ist die Menge an dazukommenden Artikeln seit 10 Jahren linear ansteigend. Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden wir vor 2020 den Durchbruch durch die 2-Millionen-Marke erleben. Wikipedia spielt den Vorteil des unbegrenzten digitalen Raums im Vergleich zu seinen nicht mehr vorhanden Papier-Konkurrenten voll aus. In Alexas globaler Rangfolge des Traffics liegt Wikipedia auf Platz 6.
Wikipedia folgte in seiner Grundstruktur immer den gedruckten Enzyklopädien als seinen analogen Vorgängern. Die Information insgesamt ist stark textlastig im Fließtext, manchmal ein Foto und der Autor wird nicht benannt und bleibt für die meisten Nutzer anonym. Das liegt vielleicht auch daran, dass Wikipedia ein paar Jahre älter ist als die sozialen Medien und man den Trend, dass man Expertise auch um Personen herum anordnen kann, noch nicht erkannte. Im Prinzip kann Wikipedia „jeder“ irritieren, was seit jeher die akademische Welt mit ihren „Peer-to-Peer“-Überprüfungsprozessen verschreckt. Dabei wird nicht zur Kenntnis genommen, dass es auch freiwillige Spezialisten bei Wikipedia gibt, die Verunstaltungen von Artikeln binnen Minuten erkennen und beseitigen. Manchmal allerdings bilden sich Fraktionen, die neue Einträge gegenseitig überschreiben. Das ist dann ein Fall für die Admins, die dafür wie die Streitschlichter auf Schulhöfen, Diskussionsforen einberufen, in denen der Sachverhalt diskutiert werden. Mehr denn je können wir alle heute aufgrund der Partizipationsmöglichkeiten zu Fakten sehr unterschiedliche Meinungen entwickeln. Daran kann man erkennen, dass es sich bei Wikipedia um eine regulierte Wissens-Plattform handelt, deren interne Regeln (neudeutsch bzw. genauer schlechtdeutsch: Governance) von der Gemeinschaft der Autoren und Admins entwickelt und umgesetzt wird. Weithin bekannt ist die Tatsache, dass tausende von Menschen diesen Aufgaben freiwillig und ohne Bezahlung nachgehen, weil sie im Gegenzug stolz darauf sind, an einer starken Gemeinschaft teilhaben und beitragen können. Diese Menschen haben etwas geschaffen, an denen finanzstarke Konzerne wie Microsoft kläglich gescheitert sind: die beste Online-Enzyklopädie der Welt. 

Jimmy Wales
(Quelle: WikiCommons)
Die Position von Jimmy Wales als Schöpfer und Gründer von Wikipedia ist dabei die des aus dem Hintergrund Führenden. Er äußert sich zu anspruchsvollen Diskussionen in Foren oder auf Kongressen und seine Äußerungen führen dann zu Veränderungen der internen Regeln oder dass er diese direkt anweist. Im Gegensatz zum hierarchischen DIKW-Konstrukt bestimmt Führung durch Werte und gemeinsame Überzeugungen Konstrukte im Bereich der Collaboration-Plattformen. Im Rückschluss gilt auch die Maxime, dass Collaboration ohne dezentrale Führung nicht funktioniert. Tritt ein solcher Fall in großen Unternehmen auf, schießen konkurrierende Wikis wie Pilze aus dem Boden, da hier der intrisische Kontrollanspruch hierarchisch gelenkter Organisationen wie ein Automatismus regiert. Das heute im Internet so beliebte „Teilen“-Symbol (share) taucht auf Wikipedia gar nicht auf. Gleichwohl kann Wikipedia auch ohne dieses Symbol als Urmutter des „Teilens“ im Internet bezeichnet werden. Wenn Menschen endlose Webseiten mit Details aus dem Leben von Justin Bieber befüllen, dann tun sie es, weil sie Spaß am mit-teilen haben. Wer sich dafür interessiert ist hier besser bedient als mit jedem anderen Medium.
Collaboration (Quelle: Univ. of Nebraska, Lincoln)

In Summe kann man formulieren, dass Wikipedia als erfolgreichste Collaboration-Plattform der Welt funktioniert, weil dahinter eine starke menschliche Gemeinschaft mit definierten Spielregeln steht, die Spaß am „Need-to-Share“-Prinzip in Freiheit und Verantwortung hat.

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